Staighof

Letztes Wochenende war ich also im Langenbachtal, um Horst Lapp zu besuchen.

500 Kilometer Fahrt in meinem alten, weißen (so weiß nun auch wieder nicht!) Auto bis nach Wolfach. Dort angekommen, ging's erst mal in die Waschstraße, man will ja in so einer gepflegten Schwarzwaldumgebung nicht als schmuddeliger Belgier durchgehen.

Ich mußte mir aber doch gleich sagen lassen: "Bei demme Audo nitzt au e Waschstroß nix!" Der Lack müsse porentief gereinigt werden. Ich sage, machen Sie mir das billigste Waschprogramm. Ich war ja nicht dorthin gefahren, um mich um die Lackporen meines Vehikels zu kümmern.

Auf dem Staighof wurden wir dann von Horst und seiner Frau Lina so herzlich empfangen, als seien wir seit Jahren alte Freunde. Dabei war es der erste Besuch des Heimatlosen beim Heimatdichter.

Der frühere Hirtenknabe und heutige Bestsellerautor hat es zu einer gewissen Bekanntheit gebracht und wird von den einen geliebt und anderen gehaßt. Seine Gegner, die ihm Hof, Frau und literarischen Erfolg neiden, belieben sich dann auch wenig gewählt auszudrücken: "Der isch doch gar kei richtiger Wolfacher, der kimmt doch us'm Elsaß!" oder "Wenn der sogt, daß'r frieher g'schlage worde isch, dann g'hört er für sei Buch nochemol g'schlage!"

Seine Frau bewirtete uns köstlich und reichlich. Sie raucht eine schöne lange Damenpfeife und hat ein Pferd namens Pegasus. "Wemmer d'Frau vonneme Schriftschteller isch, muß mer halt e Pfärd habbe, damit mer durchs Tal reide kann."

Außer uns zu Gast waren auch "Ulle" Hirsch und Martin sowie deren Frauen, mit denen wir ebenfalls sofort in ein angenehmes Gespräch kamen. Alles nette Leute! Wir sprachen über Literatur und anderes, Horst spielte uns etwas auf der Mundharmonika vor und erzählte hier und da eine Geschichte, wobei wir jeweils an seinen Lippen hingen.

Er ist aber nicht der Typ, der andere nicht zu Wort kommen läßt. Im Gegenteil. Und gerade das machte den ganzen Abend so gelungen: daß jeder zu Wort kam, Fragen stellen oder "einfach nur etwas erzählen" konnte, ohne daß irgendwer irgendwem ins Wort fiel oder Theorien vertreten oder sich in den Vordergrund rücken oder rechthaben wollte, was in meinen Augen ein ganzes großes Übel deutscher Stammtisch- und Talkshow-Konversation ist.

Nein, das alles gab es nicht. Die ganze Atmosphäre war gemütlich, freundlich und nett. Wir sprachen von Literatur und praktischen Aspekten des Selbstverlegens und anderem. Ich war selbst schon ganz verlegen (Kalauer), daß ich von den Jungs wie ein richtiger Schriftsteller behandelt wurde, obwohl sie nur ein paar Kostpröbchen von mir kannten.

Und jetzt bin ich wieder in Belgien. Hier gibt's keinen Moscht (nur Cidre), keinen Linseneintopf, kein vernünftiges Brot (nur Baguette) un kei rechte Wurscht!

Das war jetzt wieder richtig gemein den Belgiern gegenüber, denn hier gibt es dafür Muscheln mit Fritten und Waterzooi. Okay, okay.

Aber die Frage ist doch: Wie kann ein Heimatloser Heimweh haben? Ich hab' doch gar keine Heimat?! Spinne ich? Bin ich ein Knallkopf?

Kontakt zum Autor: Diether Petter - dietherpetter@yahoo.de
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