Nachtbilder


Wenn sie bei ihm war, erfüllte sie seine bloße Anwesenheit mit Glück und Segnung. Wenn er sie aber verließ, schien alle Freude, alles Gute, alles Leben mit ihm, seiner sich langsam in der Ferne auflösenden Gestalt zu verschwinden.
Die Stellen ihres Körpers, die sich eben noch warm und gut von seinem Körper und seiner Berührung angefühlt hatten, schienen sich nun langsam aber stetig auszuhöhlen, und das verschwundene Leben ließ eine klaffende schmerzende Stelle zurück, die ihr nahezu unerträglich schien. Also umarmte sie sich, schlang ihre Arme um ihre Taille um den Nachhall seiner Präsenz festzuhalten. Auch versuchte sie diese Leere mit Erinnerungen zu füllen. Erinnerungen an seine Berührung, seine großen grobe, aber doch sehr sanften Männerhände, sein Lächeln, seine warme dunkle Stimme und die sarkastischen Bemerkungen die er damit machte, seine Arme, die wild um ihn herumschlackerten, weil sie viel zu lang für seinen Körper schienen, seinen fast jugendhaften Elan, wenn ihm eine Idee gefiel und er sich dort hineinsteigern konnte, die Begeisterung die dann in seiner Sprache und seinem Ton mitschwang.
Sie bemühte sich all diese Dinge aufzubewahren in dieser leern schmerzenden Kammer, sie aufzufüllen, bis er zurückkehren würde und sie wieder erfüllen würde.
Hin und wiederl reichte es für eine Weile, die Erinnerung. Dann eignete sie sich als Pflaster und provisorisches Medikament. Manchmal aber auch nicht.
Dann spürte sie auch schon vorher, daß es nicht genug sein würde. Dann hatte sie noch mehr Schwierigkeiten ihn loszulassen, klammerte sich dann an seine große Gestalt und wollte in seinem Pullover versteckt mit ihm gehen.
Er mußte dann oft lachen und sagte, er wäre doch bald wieder da, was denn los sei, und ob etwas nicht stimme.
Dann ließ sie schließlich los, ließ ihn los und bemühte sich um den Rest Stolz, den sie noch hatte und lächelte mit den Worten, das sie nur nochmal tief seinen Geruch hatte in sich aufnehmen wollen. Das war noch soetwas an ihm. Sie liebte seinen Geruch. Oft hatte sie das Gefühl ohne diesen Geruch nicht mehr leben zu können und fragte sich dann, ob man einen solchen Duft wohl destillieren, künstlich herstellen könnte. Dann würde sie ihn auftragen, in schweren Zeiten. Wie eine Droge benutzen.

Abhängig. Sie wußte das man nicht abhängig von einem anderen Menschen sein sollte. Sie hatte sich das nie für sich vorstellen können. Aber sie hatte Unrecht. Offensichtlich war sie perfekt geeignet für eine Beziehung mit einer solchen Abhängigkeit, war es schon immer gewesen. Denn es hatte wohl nur den richtigen Mann gebraucht, der es herauslockte, diese Schwäche und diese Liebe. Manchmal schämte sie sich deswegen. Sie erinnerte sich, wie sie behauptet hatte, als sie noch jünger gewesen war, das ihr soetwas nie passieren würde. Das sie ihre Unabhängigkeit niemals einbüßen würde, und das der Mann damit schon irgendwie klarkommen müsse.

Nun würde sie damit irgendwie klarkommen müssen.
 
Kontakt zur Autorin: Melanie Stöhr - AlhanaDalsis@web.de
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